Ehrenamtliche Hilfe für GeflüchteteLindlarer Verein Winli zieht nach zehn Jahren eine Bilanz

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Integrationsarbeit (v.l.): Ingo Ackerschott, Hermine Konstanjyan, Astrid Ackerschott und Diemar Klein.

Integrationsarbeit (v.l.): Ingo Ackerschott, Hermine Konstanjyan, Astrid Ackerschott und Diemar Klein.

Seit zehn Jahren kümmert sich der Verein „Winli" in Lindlar um Geflüchtete. Zeit für eine Bilanz und einen Ausblick.  

Im Dezember 2014 flüchtete Hermine Konstanjyan mit ihren damals ein und zwei Jahre alten Söhnen und ihren Eltern aus Armenien nach Deutschland. Sie kam nach Lindlar und wurde von der gerade gegründeten Flüchtlingsinitiative Winli (Willkommen in Lindlar) betreut. Und Winli sei ihr eine sehr große Stütze gewesen, sagt die heute 33-Jährige. Ohne Sprachkenntnisse, ohne Informationen über die Kultur, die Gepflogenheiten, das Schulwesen und die berufliche Qualifizierung stehe man als Geflüchteter ohne Hilfe auf verlorenem Posten.

In Armenien hatte Hermine Konstanjyan Friseurin gelernt, und sie wollte in Deutschland möglichst schnell wieder arbeiten. Doch das war gar nicht so einfach. „Ich konnte ja noch kein Deutsch und meine Ausbildung wurde hier auch nicht anerkannt“, berichtet die 33-Jährige. Über Klaus Fischer von Winli kam der Kontakt zu Friseurmeister Ingo Ackerschott zustande. Er ermöglichte der Geflüchteten die Ausbildung.

Ausbildung zur Friseurin wurde in Deutschland nicht anerkannt

Doch zuerst stand Deutsch lernen an. Dann folgte die Ausbildung zur Friseurin, die Konstanjyan mit der Gesellenprüfung abschloss. Sie fühle sich bei Ackerschott sehr wohl, das Team sei zu einer zweiten Familie geworden. „Hermine ist durch ihre fachliche Kompetenz und ihre herzliche Art ein echter Gewinn für unseren Betrieb. Wir können aus eigener Erfahrung andere Betriebe nur ermutigen, Geflüchtete als Arbeitskräfte oder Auszubildende aufzunehmen. Wir sind der Überzeugung, dass jeder Mensch – ob geflüchtet oder nicht – die gleichen Chancen haben sollte. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das sogar eine wirtschaftliche Notwendigkeit“, sagt Ingo Ackerschott.

Für Konstanjyan geht die berufliche Qualifizierung weiter, sie besucht zur gleichen Zeit die Meisterschule und wird Ende nächsten Jahres ihre Meisterprüfung ablegen. Über eine mögliche Selbstständigkeit denke sie aber nicht nach, berichtet sie. „Ich freue mich, hier ein Beispiel für gelungene Integration vorstellen zu können.“ „Wir brauchen weiterhin Spenden und aktive Hilfe von Ehrenämtern, damit der Verein auch in Zukunft Geflüchteten helfen kann“, sagt Dietmar Klein, der Vorsitzende von Winli, anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Vereins. Er hat noch zahlreiche weitere Beispiele für die erfolgreiche Arbeit des Vereins. So wurden zehn Jugendliche durch die Vermittlung von Winli bei der Firma Oni als Auszubildende eingestellt, 2021 schlossen sie ihre Ausbildung erfolgreich ab.

Verein hat zahlreiche junge Menschen in eine Ausbildung vermittelt

Zwei junge Menschen wurden als Azubis bei der Bäckerei Sprenger angestellt, weitere Ausbildungsstellen für Geflüchtete gab es bei Holz-Richter, Rewe. Elektro Schnickmann und der Lang AG.

Andere junge Menschen arbeiten inzwischen als Gerüstbauer oder Bauhelfer. In einem Fall hat auch ein examinierter Apotheker durch Winli eine neue Stelle in einer Lindlarer Apotheke gefunden, berichtet der Verein.

Hilfe auch bei der Wohnungssuche

Auch bei der Wohnungssuche für die Geflüchteten war Winli aktiv. Dazu hat der Verein rund 400 gespendete Fahrräder instandgesetzt und gegen eine Schutzgebühr an Geflüchtete abgegeben. Ehrenamtlich wurden auch Sprachkurse durchgeführt und für teilnehmende Mütter auch Kinderbetreuung organisiert.

Nur aus den Beiträgen der rund 100 Mitglieder sei die Arbeit des Vereins nicht zu finanzieren. Ein wichtiger Geldgeber sei die evangelische Kirchengemeinde Lindlar, bedankt sich Winli. Auch die Gemeinde unterstütze die Arbeit zeitweise. Zudem könne das Büro an der Rheinstraße dank eines Sponsors mietfrei genutzt werden. Ohne Spenden und Sponsoren sei die Arbeit nicht zu finanzieren, betont der Verein, zu dessen Mitgliedern nach eigenen Angaben Vertreter aller politischen Parteien in Lindlar und auch Bürgermeister Georg Ludwig zählen. Unterstützung gebe es auch von den Lindlarer Schulen, die sich intensiv für die Arbeit mit den Kindern der Geflüchteten engagierten sowie von den Lindlarer Sportvereinen.

Weitere Ehrenamtler und Sponsoren gesucht

Zum Jubiläum blickt der Verein aber nicht nur zurück. Mit gezielter Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen sollen weitere Ehrenamtliche für die Arbeit mit Geflüchteten begeistert werden. Gesucht werden vor allem Menschen, die regelmäßig Geflüchteten bei der beruflichen Ausbildung oder den Hausaufgaben helfen. Über Sponsoren und Fördergeber soll die Vereinsarbeit dauerhaft finanziell gesichert werden. Hilfestellung beim Ausfüllen von Formularen, Beratung, Koordinierung von Maßnahmen, Begleitung zu Ärzten sowie Hilfe zur Integration und Hausaufgabenhilfe werden es auch künftig geben, betont der Vorstand.


Zehn Jahre Flüchtlingsinitiative Winli

Bei der Vereinsgründung 2014 gab es sieben Mitglieder. Ein Jahr später verzeichnete der Verein bereits mehr als 100 Mitglieder. Diese Zahl ist seitdem weitgehend konstant geblieben. 40 bis 50 ehrenamtliche Helfer arbeiten für Winli, sie besuchen in kleinen Teams die Flüchtlingsunterkünfte und bieten Hilfe und Beratung an. Seit 2015 zählt dazu auch Deutschunterricht. Anfang 2017 wurde das Büro in der Berliner Straße 6 eröffnet, das zur ständigen Anlaufstelle für Geflüchtete wurde. Hier helfen Elke Dienst und Marion Wester als Integrationsfachkraft, (0 22 66) 465 19 82. 

www.winli.de

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