Wochenende des ZugvogelschutzesWas die Ringe über die Vögel im Oberbergischen verraten

Lesezeit 5 Minuten
Der Ornithologe Dr. Manfred Schönfeld beim Aufhängen eines Netzes.

Der Ornithologe Dr. Manfred Schönfeld hat Ende der 1990er Jahre zahlreiche Singvögel im Raum Morsbach und Waldbröl mit Netzen gefangen und beringt.

Auch im Oberbergischen sind im Laufe der letzten Jahrzehnte viele Zugvögel mit Ringen aufgegriffen oder beobachtet worden. Und die verraten einiges.

Seit 2006 wird an jedem zweiten Wochenende im Mai an die besondere Schutzwürdigkeit der Zugvögel erinnert, diesmal am 11. und 12. Mai. Denn die Zugvögel sind auf dem Weg in ihre jeweiligen Winter- oder Sommerquartiere zunehmend Gefahren ausgesetzt. Um diese Gefahren zu vermindern und mehr über die Lebensweisen der gefiederten Geschöpfe zu erfahren, wird der Vogelzug bereits seit über 120 Jahre erforscht.

Durch die Beringung der Vögel bekommen die Ornithologen über einen längeren Zeitraum viele neue Erkenntnisse über das Verhalten der einzelnen Arten, da wieder eingefangene oder tot aufgefundene Vögel identifiziert werden können. Untersucht werden unter anderem Zugweg, Lebensdauer, Sterblichkeit, Ernährung und Fortpflanzung. So hat man gelernt, dass die skandinavischen Kraniche in Spanien überwintern und unsere Rauchschwalben und Weißstörche die kalte Jahreszeit südlich der Sahara in Afrika verbringen.

Ein in Tschechien beringter Schwarzstorch, fotografiert auf einer Wiese in Morsbach.

Ein in Tschechien beringter Schwarzstorch wurde 2021 bei Morsbach fotografiert. Die Ringgravur ließ sich gut ablesen.

Auch im Oberbergischen sind im Laufe der letzten Jahrzehnte viele Zugvögel mit Ringen aufgegriffen oder beobachtet worden. Anhand der Ringmarkierungen kann das Schicksal jedes einzelnen Vogels zurückverfolgt werden. Besonders aus skandinavischen Ländern sind immer wieder beringte Zugvögel im Oberbergischen nachgewiesen worden. Eine Heckenbraunelle, im Oktober 2015 in Südschweden mit einem Ring versehen, wurde ein halbes Jahr später im Frühjahr 2016 Opfer einer Katze in Morsbach. Durch die Ringnummer „1EX01548“ konnte das schwedische Naturhistorische Reichsmuseum in Stockholm die zurückgelegte Strecke des kleinen Singvogels ermitteln: Es waren 722 Kilometer.

Ein Turmfalke hat es auf eine Strecke von 909 Kilometern gebracht. Der Greifvogel wurde im Juni 2008 im schwedischen Westgotland beringt und Anfang Januar 2009 bei Wiehl tot aufgefunden. Bei minus 15 Grad Celsius ist er wahrscheinlich an Unterkühlung oder Futtermangel verendet. Ein anderer Turmfalke legte in knapp drei Monaten sogar eine Flugdistanz von 1546 Kilometer zurück. Er wurde im Juni 2017 als Nestling in Südfinnland beringt, im September ereilte ihn in Morsbach der Tod. Todesursache unbekannt.

Ringfunde geben Aufschluss über Herkunft und Weg der Vögel

Eine relativ kurze Strecke von nur 101 Kilometer bis zum Wiederfund legte ein weiblicher Mäusebussard zurück. Er wurde am 7. Februar 1990 in Schmidtheim in der Eifel beringt. Nach 11 Jahren fand man ihn tot bei Morsbach. Von anderen Ringfunden weiß man, dass Bussarde bis zu 25 Jahre alt werden können.

Auch aus östlichen Gefilden tauchen hin und wieder Zugvögel bei uns auf. Ein Schwarzstorch, am 14. Juni 2020 als Jungtier in einem Nest im nordtschechischen Frantiskov beringt, war 13 Monate später Gast auf einer Wiese zwischen Morsbach und Friesenhagen. Er wurde 460 Kilometer von seinem Beringungsort entfernt von dem Ornithologen Horst Braun beobachtet und fotografiert. Durch die Ringnummer „YH89467A7“ konnte über die Beringungszentrale in Prag das erste Lebensjahr des Storches zurückverfolgt werden.

Der aufgebogene Aluminium-Fußring eines Mäusebussards.

Der aufgebogene Aluminium-Fußring eines Mäusebussards, der in der Eifel beringt und bei Morsbach tot aufgefunden wurde.

Auch im Oberbergischen Kreis sind Vögel beringt worden. Der mittlerweile verstorbene Ornithologe und Buchautor Dr. Manfred Schönfeld hat im Raum Morsbach und Waldbröl Ende der 1990er Jahre zahlreiche Singvögel mit Netzen gefangen und mit kleinen Aluminiumringen versehen, vor allem Garten- und Waldbaumläufer. Durch Wiederfunde konnte er viel über die Lebensweise dieser kleinen gefiederten Gesellen in Erfahrung bringen.

Doch nicht nur durch die Beringung von Vögeln hat man wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen, auch Fledermäuse wurden markiert. Diesen nachtaktiven Säugetieren können keine Ringe um die Beine gelegt, sie erhalten eine spezielle leichte Alu-Armklammer mit Gravur. Dadurch können Wissenschaftler Details über die Migration der Fledermäuse in Erfahrung bringen.

Frostfreie Winterquartiere in alten Bergwerksstollen in Morsbach

Mittels dieser Armklammern fand man heraus, dass beispielsweise acht weibliche Große Mausohren aus den hessischen Landkreisen Marburg-Biedenkopf und Limburg-Weilburg jährlich im Herbst zum Winterschlaf in das 90 Kilometer entfernte Gebiet rund um Morsbach ziehen. Hier finden sie frostfreie Winterquartiere in alten Bergwerksstollen. Im Frühjahr kehren sie wieder zurück nach Hessen, verbringen die warme Jahreszeit auf großen Dachböden von Kirchen und ziehen dort in ihren sogenannten Wochenstuben ihre Jungen auf. Ein Mausohr-Weibchen mit Armklammer Nummer „X74378“ wurde acht Jahre in Folge in einem Stollen bei Morsbach dokumentiert.

Eine größere Distanz legte ein Großer Abendsegler, ebenfalls eine Fledermausart, im Jahr 2000 zurück. Das Tier wurde am 9. August 2000 im Landkreis Stendal (Sachsen-Anhalt) mit einer Klammer versehen und nur fünf Tage später in Morsbach-Korseifen tot aufgefunden. Es hat also in dieser kurzen Zeit eine Distanz von 361 Kilometer zurückgelegt.

Die Fledermausberingungszentrale für Westdeutschland ist beim Zoologischen Forschungsinstitut und Museum Alexander Koenig in Bonn angesiedelt. Dort ist auch eine Wasserfledermaus registriert, die am 30. September 2020 in der Siegaue bei Bonn geklammert worden ist und in diesem Januar, 48 Kilometer von Bonn entfernt, in einem Stollen bei Morsbach entdeckt wurde. Bleibt abzuwarten, ob diese Fledermaus im kommenden Winter wieder zum Schlafen nach Morsbach kommt.

Wer einen toten Vogel oder eine tote Fledermaus mit Ring findet oder bei einem lebenden Vogel die Ringgravur ablesen kann, wird gebeten, die Fundumstände und die Gravur per Email (morsbach@nabu-oberberg.de) dem Naturschutzbund mitzuteilen.

Wer einen toten Vogel oder eine tote Fledermaus mit Ring findet oder bei einem lebenden Vogel die Ringgravur ablesen kann, wird gebeten, die Fundumstände und die Gravur per E-Mail dem Naturschutzbund mitzuteilen.


Die Vogelberingung

Im Jahr 1899 begann die Vogelberingung für wissenschaftliche Zwecke   mit einem Experiment des Lehrers Hans Christian Mortensen, der in Dänemark Stare mit einem individuell gravierten Metallfußring und einer Rücksendeadresse versah und fliegen ließ. Nach diesen Anfängen entwickelte sich die Vogelberingung zu einer weltweit angewandten Standardmethode zur Erforschung des Vogelzuges. Mithilfe von mehr als 10 000 Beringern werden in ganz Europa vogelkundliche Langzeituntersuchungen durchgeführt.

Nationale Beringungszentralen, wie zum Beispiel die Vogelwarte Radolfzell am Max-Planck-Institut für Ornithologie und die Vogelwarte Helgoland am Institut für Vogelforschung in Wilhelmshaven, organisieren die Beringung, koordinieren die einzelnen Forschungsprojekte und sorgen dafür, dass die Beringung höchsten Maßstäben von Technik und Naturschutz genügt.

In Europa werden alljährlich etwa 3,8 Millionen Vögel beringt und etwa 90 000 wiedergefunden. Jeder gemeldete Wiederfund eines beringten Vogels trägt dazu bei, die Ursachen der Zu- und Abnahme von Vogelarten zu verstehen. Durch Wiederfunde können wichtige Rastplätze und Winterquartiere identifiziert und somit Grundlagen für ein integriertes System von Schutzgebieten für unsere Zugvögel geschaffen werden. 

KStA abonnieren