1. FC Köln im AbstiegskampfWas passieren müsste, damit das Wunder geschieht

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Florian Kainz, Timo Hübers und Steffen Tigges nahmen am Samstag die Aufmunterungen der Kölner Südtribüne entgegen.

Florian Kainz, Timo Hübers und Steffen Tigges nahmen am Samstag die Aufmunterungen der Kölner Südtribüne entgegen.

Nach den Sonntagsspielen steht fest, dass der FC gegen Union Berlin am Samstag ein weiteres Endspiel erhält – und im Fall eines Sieges bis zum letzten Spiel die Chance hat, in der Klasse zu bleiben. 

Seit Monaten balanciert der 1. FC Köln nun schon am Abgrund. Nach dem 1:0 in Darmstadt am 13. Spieltag stand der Klub zuletzt auf dem 15. Rang, der den direkten Klassenerhalt bedeutete. Mit dem 0:0 gegen Mainz setzten die Kölner auf dem Relegationsrang auf, seitdem stehen sie unter dem Strich – und seit dem 1:5 im eigenen Stadion gegen RB Leipzig Mitte März auf dem direkten Abstiegsplatz 17.

Beim 0:0 gegen den SC Freiburg ließen die Kölner am Samstag eine weitere Gelegenheit aus, ihre Lage zu verbessern. Christian Streich fand mitfühlende Worte für die Kölner. „Sie sind noch nicht abgestiegen, aber es ist eine schwierige Situation. Wenn du ein Heimspiel hast, dir große Hoffnungen machst und nicht gewinnen kannst, ist es schwierig. Wir haben das auch schonmal erlebt. Es ist nicht schön“, sagte der scheidende Trainer der Freiburger.

FC-Geschäftsführer Christian Keller: „Warum schießen wir nicht einfach den Ball ins Tor“

Mit dem Schlusspfiff war eine bleierne Stille über das Stadion gekommen. Die Kölner Profis waren in Formation auf dem Rasen stehengeblieben oder in sich zusammengesunken. Später hatte es immerhin ein wenig Applaus von den Rängen gegeben. Anders als beim Debakel gegen Darmstadt sorgte das Auftreten der Mannschaft nicht mehr für Empörung. Eher für Mitleid angesichts der Kölner Hilflosigkeit. „Am Ende haben wahrscheinlich alle dasselbe gedacht im Stadion. Deshalb war es auch so ruhig“, beschrieb FC-Geschäftsführer Christian Keller, der selbst Anflüge von Verzweiflung offenbarte: „Warum schießen wir nicht einfach den Ball ins Tor“, sei ihm durch den Kopf gegangen.

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Keller sprach von einer „Saison der vergebenen Chancen“, und vielleicht passt es genau deshalb zur Kölner Spielzeit 2023/24, dass es auch nach dem 0:0 gegen Freiburg nicht vorbei ist. Denn am Sonntag gestalteten die Konkurrenten ihre Partien nach den Anforderungen an ein Kölner Wunder: Zunächst gelang Bochum ein 4:3 bei Union Berlin, im Falle eines Unentschiedens wären beide Klubs für den FC außer Reichweite gewesen. Am späteren Abend schaffte Mainz dann nur ein 1:1 in Heidenheim und spürt damit ebenfalls weiterhin den Atem der Kölner. Sechs Punkte sind noch zu vergeben in dieser Saison, fünf Punkte liegt Köln nun hinter Mainz, sechs hinter Union Berlin. Rechnerisch machbar also. Aber auch tatsächlich?

Timo Schultz am Samstag nach der Partie gegen den SC Freiburg

Timo Schultz am Samstag nach der Partie gegen den SC Freiburg

Der FC muss die ausstehenden Partien gegen Union Berlin und in Heidenheim gewinnen und gleichzeitig hoffen, dass Mainz und Union nicht mehr punkten – im Falle der Mainzer wegen des klar besseren Torverhältnisses im Vergleich zu Köln. Dass Union Berlin verlor und nicht Bochum, beschert den Kölnern am Samstag nun ein unverhofftes nächstes Endspiel. Schließlich haben sie es dadurch selbst in der Hand, ob Union verliert und mit nur noch drei Punkten Vorsprung auf Köln in den letzten Spieltag geht. Im Falle eines Kölner Sieges stünde also fest, dass es auch am 34. Spieltag noch eine Rettungsperspektive gibt.

Freiburg sah am Samstag aus wie eine Mannschaft am Ende ihrer Kräfte

Die Eindrücke des vergangenen Wochenendes sorgen allerdings nur bedingt für Euphorie. Zum Abschluss bräuchte Union nur noch einen Punkt im eigenen Stadion gegen den SC Freiburg, der nach einer langen Saison inklusive Verpflichtungen in der Europa League am Ende seiner Kräfte scheint – und offenbar auch keine Energie mehr ziehen kann aus dem Wunsch, Trainerlegende Christian Streich einen perfekten Abschied zu bescheren. Jedenfalls sah es am Samstag in Müngersdorf sehr danach aus. Andererseits scheint es darauf hinauszulaufen, dass Freiburg am 34. Spieltag noch um die Europa League spielen wird. Denkbar, dass die Mannschaft dann einen letzten Kraftakt stemmt – und ihren Teil zum Kölner Wunder beiträgt.

Mainz begrüßt noch Borussia Dortmund im eigenen Stadion, und es ist schwierig, abzusehen, wie der BVB nach der Partie in der Champions League in Paris (Dienstag) das nächste Bundesligaspiel angehen wird. Am Samstag schlug eine Dortmunder B-Mannschaft den FC Augsburg 5:1, alles ist möglich. Zum Finale reist Mainz dann nach Wolfsburg; die Mannschaft spielt eine entsetzliche Saison, obgleich der Kader über viel Potenzial verfügt. Am letzten Spieltag wäre es trotz allem sogar noch möglich, dass der VfL um das internationale Geschäft kämpft. Wer also allen Optimismus zusammenkratzt, kann durchaus Szenarien konstruieren, in denen sowohl Mainz als auch Union Berlin ihre ausstehenden Partien verlieren. Und Köln sich sogar noch direkt retten kann.

Wir haben Spieler, die grundsätzlich die Qualität haben, in den entscheidenden Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen. In dieser Saison gelingt uns das aber selten
FC-Geschäftsführer Christian Keller

Fraglich war allerdings zuletzt ohnehin vor allem, welchen Beitrag die Kölner zu leisten in der Lage sind. „Am Schluss zählt zur Qualität auch die mentale Verfassung. Wir haben Spieler, die grundsätzlich die Qualität haben, in den entscheidenden Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen. In dieser Saison gelingt uns das aber selten“, beschrieb Christian Keller am Samstag.

Nur vier Siege haben die Kölner in dieser Saison gelandet, von den jüngsten Endspielen gegen Darmstadt, Mainz und Freiburg keines – und erzielten nur ein Tor. Daraus zwei Siege in zwei Spielen abzuleiten, liegt nicht unbedingt nahe. „Wir brauchen nicht naiv zu sein. Das schlechte Szenario ist auch ein reales Szenario“, sagte Keller. Marvin Schwäbe hatte gegen Freiburg nicht einen Torschuss zu halten bekommen. Auch der Torwart hat noch nicht aufgegeben. „Wir hoffen bis zum letzten Moment. Wir sind noch nicht ganz weg.“

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